Probleme der Prävention im Globalen Süden

  • Probleme der Prävention im Globalen Süden

    Ina Schleinitz - 22.02.2017 16:00

    Warum ist Prävention in vielen Ländern des Globalen Südens so schwer umzusetzen? Welche Maßnahmen haltet ihr für sinnvoll?

    Artikel zur Verhütung im globalen Süden

    by Jan David und Seif Sabra, HPS Buxtehude/Germany

    Verhütung steht für Maßnahmen gegen ungewollte Schwangerschaften und Präventionsmaßnahmen gegen sexuell übertragbare Krankheiten. In vielen Ländern sind Verhütungsmethoden jedem geläufig, auch sind sie überall und zu jeder Zeit erhältlich.

    Im globalen Süden, insbesondere in Afrika, ist das nicht der Fall, denn viele Menschen haben nicht die Möglichkeit, an Verhütungsmittel zu gelangen oder wurden aufgrund fehlender Bildung gar nicht über verschiedene Verhütungsmöglichkeiten aufgeklärt. Auch wenn es viele Hilfsorganisationen gibt, die sich für die Versorgung der Bevölkerung mit Verhütungsmitteln einsetzen, scheint dies in vielen Regionen wenig bewirkt zu haben.

    In Ländern wie Nigeria kommen im Schnitt auf jede Frau sechs Kinder. Dies führt, neben den bereits beschriebenen Problemen, in vielen Fällen zur Unterernährung der Kinder, da es den Eltern aufgrund ihres fehlendem Einkommens nicht möglich ist, sich und ihre Familie entsprechend zu ernähren.

    Quelle: http://www.weltbevoelkerung.de/uploads/tx_aedswpublication/Afrikas_demografische_Herausforderung.pdf

    Mehr als 650 Millionen Menschen in Afrika verdienen weniger als zwei Dollar täglich. Das zwingt Kinder dazu, anstatt in die Schule zu gehen, früh mit dem Arbeiten anzufangen, um die Familie zu versorgen. Durch die fehlende Schulbildung fehlt

    es den Jugendlichen auch an Wissen über Sex und Verhütung. Leider wird dieser Kreislauf immer wieder fortgeführt, weil sie aufgrund ihrer fehlenden Bildung keinen richtigen Beruf erlernen können und oft auch viele Kinder haben werden, die dann mit denselben Problemen zu kämpfen haben.

    Die Gefahren, die mit der fehlenden Verhütung einhergehen, sind die leichtere Verbreitung von Sexualkrankheiten, eine höhere Armutsrate und ein geringes Bildungsniveau.

    Doch es gibt noch weitere Gründe, aufgrund derer Menschen, v.a. im globalen Süden, nicht verhüten. Für viele Menschen sind dies religiöse oder traditionelle Gründe. In manchen Religionen oder Stämmen ist Verhütung etwas Verbotenes.

    March 22.03.2017 16:23

    Sonja Ideström - 31.03.2017 14:07

    Der „Artikel zur Verhütung im globalen Süden“ war sehr interessant und faktenbasiert. Das einzige, was man nicht durch den Text herausfand, waren mögliche Lösungen. Schweden und Polen haben diese Probleme nicht oder wenigstens nicht in dem gleichen Umfang, weil wir offen über Maßnahmen gegen ungewollte Schwangerschaften, Präventionsmaßnahmen und Verhütungsmetoden sprechen. Diese Methoden funktionieren in unseren Ländern und deswegen haben wir diese Probleme nicht. Falls die Länder im Süden mehr Informationen bekommen und auch mehr Informationen verbreiten, könnten wir die Menge ungewollter Schwangerschaften verkleinern.

    Sonja, Sofija und Mateusz

    Interview mit Herrn Dr. Christiansen

    by Katharina Dmitrieva, Pia Albers, Lilly Paulmann, Lilith Tiedemann, HPS Buxtehude/Germany

    Dr. Martin Christiansen, Zahnarzt in der Praxis mare Z in Buxtehude und Seevetal, und seine Kollegin, Dr. Henrike Rolf, fahren seit 2011 gemeinsam mit der Praxismanagerin Nadine Chales de Beaulieu einmal im Jahr in das westafrikanische Land Gambia. Ehrenamtlich arbeiten der Zahnarzt und die Oralchirurgin ca. 20 Tage im Jahr in der Klinik des ASB in Serrekunda.

    Wir trafen ihn für ein Interview:

    1. Wie kamen Sie auf die Idee?

    Die Initiative startete vor acht oder neun Jahren, als ein Mitarbeiter einer Implantatfirma uns gefragt hat, ob wir ihn mit Benzingutscheinen sponsern könnten, weil er an einer Charity-Rallye von Berlin nach Banjul teilgenommen hatte. Bei dieser Rally hatte man ein Auto in Deutschland gekauft und ist damit von Berlin bis in die Hauptstadt von Gambia gefahren. Als Vorbild diente die Rallye Paris-Dakar.

    Hintergrund war, dass das Auto dann dort vor Ort verkauft wird und das Fahrerteam über den Erlös des Verkaufes relativ frei bestimmen kann. Und da die meisten Teilnehmer für eine Implantatfirma gearbeitet haben, haben sie einen Kooperationspartner gesucht, um eine Zahnstation in Gambia zu gründen. Sie haben sich dann eine ASB- Klinik in Gambia ausgesucht und gefragt, ob es nicht toll wäre, wenn sie dort eine Zahnstation errichten könnten. Da meine Kollegin und ich über die Praxis mare Z Benzingutscheine gesponsert hatten, hat uns das Team, das in Gambia war, dann erzählt, wie die Fahrt war und wie das Projekt abgelaufen ist. Sie haben uns dazu auch ein kleines Büchlein geschenkt und gefragt, ob wir nicht auch Lust hätten, dort einen zahnärztlichen Austausch stattfinden zu lassen. Und das war die Initialzündung.

    2. Und so ist dann das 3er Team entstanden? (Sie reisen doch zu dritt?)

    Ja, wir reisen zu dritt. Meine Kollegin Dr. Henrike Rolf hier und unsere Verwaltungsangestellte Nadine Chales de Beaulieu aus Seevetal.

    3. Von wem werden die Reisen und Medikamente finanziert?

    Das sind ja zwei unterschiedliche Bereiche, anders als bei ‚Ärzte ohne Grenzen’, wo die Flüge übernommen werden, bezahlen wir alles selber, das heißt, wir bezahlen unsere Unterkunftskosten vor Ort, unser Essen und auch unsere Flugkosten und sonstige Transferkosten. Die Medikamente sind zum Teil vor Ort, wie z.B. Antibiotika. Wir sammeln im Laufe des Jahres aber auch immer eine ganze Menge an Arzneimittelspenden, auch Arzneimittel von Kliniken, die dort nicht mehr gebraucht werden, aber noch haltbar sind. Wir bringen dann auch immer 60-80 Kilo „Verbrauchsmaterialien“ mit. Die Klinik selbst bekommt zwei Mal im Jahr einen Container aus Hamburg mit allen möglichen Gerätschaften und vielen Medikamenten, die aus der Internationalen Apotheke in Holland gekauft werden.

    Denn Medikamente sind in Afrika wesentlich teurer als in Europa, deswegen werden sie hier in großen Mengen gekauft. 1000 Tabletten eines Antibiotikums kosten hier etwa 23 Euro und vor Ort kosten schon 10 Tabletten 20 Euro.

    4. Was genau ist Ihre Arbeit dort? Alle möglichen Arten von Zahnbehandlungen?

    Also hauptsächlich ziehen wir Zähne. Wir behandeln ungefähr 120 Patienten pro Tag, das heißt, dass wir etwa 300- 400 Zähne täglich ziehen. Demgegenüber stehen ungefähr 2 oder 3 Füllungen pro Tag, weil die meisten Patienten leider so spät kommen, dass wir nur noch ziehen können. Ansonsten haben wir viele Kyloid-Entfernungen. Kyloid ist überschüssiges Narbengewebe, das durch krankhafte Narbenbildung entsteht. Meine Kollegin ist auch Oralchirurgin, weswegen sie das auch operieren kann. Und was es nur noch in Afrika gibt, ist Noma. Das ist eine bakterielle Infektion bei Kindern. Ausgehend von einer Zahnentzündung, treten dann Löcher im Gesicht auf, z.B. in der Wange. Alles entzündliche Gewebe muss entfernt werden, da unbehandelt 90% der Erkrankten daran sterben.

    5. Wie lange am Tag arbeiten Sie dort? Haben sie überhaupt feste Arbeitszeiten?

    Ja, von 8 Uhr bis 20 Uhr, 6 Tage die Woche. Sonntags haben wir frei.

    6. Kommt es auch vor, dass Sie nicht helfen können?

    Ja, na klar. Es kommen viele, die beispielsweise einen Tumor in der Schulter haben und gehört haben, dass wir deutsche Ärzte sind und meinen, dass wir ihnen helfen können. Wir versuchen sie dann irgendwo direkt in Gambia unterzubringen.

    7. Und wie geht man damit um?

    Das ist eine schwierige Frage. Letztendlich nicht anders, als hier auch, es ist hier auch so, dass ich nicht jedem helfen kann. Wenn jemand in Afrika zu uns kommt und sagt er, er habe einen Schultertumor und ich nicht helfen kann, ist es letztendlich - aus professionell medizinischer Sicht - die gleiche Lage, als wenn ich jemandem sagen muss, dass er seinen Zahn nicht behalten kann.

    8. Sprechen Sie dort mit den Patienten Englisch oder sind Konversationen allgemein eher schwierig?

    In Gambia ist die offizielle Amtssprache Englisch, es sprechen aber nur ungefähr 30% der Menschen auch Englisch. In Gambia gibt es 5 Stämme und alle 5 Stämme haben andere Sprachen. Teilweise sind die Sprachen so unterschiedlich, dass sich die Stämme untereinander nicht verstehen. Wir haben aber ein zahnmedizinisches Hilfspersonal, 2-3 Assistentinnen, die alle 5 Stammessprachen sprechen. Sie sind dann mit im Behandlungszimmer und dolmetschen, wenn etwas im Englischen nicht geht.

    Aber man kann auch eine ganze Menge mit Zeichensprache erledigen.

    9. Sind einige besondere Momente bei Ihnen hängen geblieben?

    Tausende. Afrika ist schon, wenn man aus dem Flugzeug steigt, sofort Afrika. Sensationell chaotisch, riecht irgendwie ganz anders, sowas bleibt dann natürlich immer haften. Ansonsten ja, da sind noch so ein paar Highlights. Ich habe mal ein Kind im Taxi vor der Klinik entbunden oder meine Kollegin hat mal einem Kind geholfen, dessen Vater dann sagte, dass sein nächstes Kind Henrike heißen würde. Dann hatten wir diese Noma- Kinder, die wir operierten, und wenn man sieht, dass sie überlebt haben und gut aussehen, freut einen das natürlich sehr.

    10. Schätzen Sie nach dem Aufenthalt einfache Dinge wie sauberes, fließendes Wasser und Strom mehr?

    Ja, und Müllabfuhr, Schule, asphaltierte Straßen und ein funktionierendes Gesundheitssystem. Alle segensreichen Faktoren der Zivilisation. Ich komme zurück und zahle auf einmal richtig gerne Steuern, weil ich weiß, wofür es ist. Es gibt dort keine Schule, keine Infrastruktur, kein Strom und Wasser, regelmäßig und verlässlich.

    11. Wann fahren Sie wieder nach Gambia?

    Wir wollten eigentlich jetzt vor ein paar Wochen da sein, aber durch den Machtwechsel hat das nicht geklappt. Gambia hat im Dezember gewählt und den langjährigen Diktator Jammeh abgewählt, er hat die Wahlen eigentlich immer beeinflusst und war sich seiner Sache wohl sicher. Er hat die Wahlniederlage erst auch eingestanden, sie aber anschließend wieder zurückgenommen und gesagt, es wäre etwas schief gelaufen und behauptete, dass er noch nicht abgewählt worden sei. Die Machtübergabe an den neuen Präsidenten kollidierte genau mit unserem Reisedatum, das war jetzt im Februar, deswegen haben wir unsere Reise erst einmal storniert, weil befürchtet wurde, dass es zu Unruhen kommen könnte. Der Machtübergang war dann doch ruhig. Das heißt, jetzt wurde das erste Mal wieder demokratisch gewählt. Nun ist gerade leider Malaria-Zeit, die geht von März bis Oktober und wir fahren deshalb nie in diesem Zeitraum. Wir versuchen aber, bald wieder hinzufahren.

    Posted 25.04.2017 16:05