Erwachsenwerden zwischen den Kulturen

  • "Ich schon wieder zwischen allem. Das war seltsam. Als ob die eine Welt von mir die andere Welt von mir plötzlich berührt. [...] Aus der Freude über das Neue wurde Angst vor der Zukunft, bei Papa und Mama. Bei mir eigentlich nicht. Es fühlt sich nach Zukunft an hier. In dieser Sprache. In diesem Haus. An diesem Ort. Ich weiß, ich habe eine Zukunft hier."

    ("Dazwischen Ich", Julya Rabinowich)

    Welche Probleme können beim Aufwachsen zwischen zwei Kulturen entstehen?

    Maria Fellner - 04.01.2020 @ 09:28

     

    Zwischen zwei Kulturen - Wohin gehöre ich?

    Von Catarina Becker und Yasmin Ben Touhami, HPS Buxtehude/Germany

     

    Das Aufwachsen zwischen zwei Kulturen mag in vielerlei Hinsicht etwas Alltägliches sein. Vor allem in europäischen Ländern ist die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund relativ hoch. Doch was genau heißt es überhaupt, „mit zwei Kulturen aufzuwachsen“?

    Man nehme als Beispiel, dass beide Elternteile aus unterschied-lichen Ländern stammen und man selbst wohnt in einem der beiden. Demnach muss man als Staats-bürger der Kultur dieses Landes gerecht werden. Doch was ist mit der anderen Hälfte? Man möchte nicht leugnen, dass man sich beiden Ländern zugehörig fühlt, doch es kann manchmal ziemlich schwerfallen, nach den Sitten, Traditionen und kulturellen Aspekten beider Länder zu leben. Man steht regelrecht „zwischen den Stühlen“.

    Foto: https://pixabay.com/de/illustrations/gesicht-gesichter-dialog-gespr%C3%A4ch-1370958/

    In anderen Fällen stammen beide Eltern aus einem Land und sind ausgewandert. So geht es beispielsweise 20,8 Millionen Menschen in Deutschland, also 25% aller Deutschen, die ursprünglich nicht aus Deutschland stammen. Dies wirft natürlich Fragen auf, wie dann so ein Leben zwischen den Stühlen aussieht. Aus persönlicher Erfahrung können wir beide sagen, dass dies oftmals echt schwer sein kann. Man fühlt sich nicht zu 100% der eigenen Heimat zugehörig, genauso wenig, wie man sich der neuen Heimat zugehörig fühlen kann. Man ist weder an dem einen noch an dem anderen Ort wirklich zu Hause und hat ständiges Heimweh. Das größte Problem dabei: Menschen haben die Angewohnheit, andere Menschen immer in Schubladen zu packen. Beispielsweise führen abwertende Aussagen wie „In Deutschland bin ich immer der Exot und in Brasilien die Deutsche“ zu einer ständigen Hinterfragung der eigenen Identität.

    Die Suche nach der Identität und dem richtigen Platz auf der Welt ist eine endlose Reise durch das Leben, wie beispielsweise die Romane „Dazwischen: Ich“ von Julya Rabinowich oder „Tauben fliegen auf“ von Melinda Nadj Abonji zeigen. Beide Romane handeln von der Schwierigkeit, sich in einer neuen Heimat zurechtzufinden, und den alltäglichen Herausforderungen, die sich aus so einer „geteilten Identität“ ergeben. Letztendlich sollte uns allen, vor allem in einer so globalisierten Welt wie wir sie heute vorfinden, klar sein, dass Emigration und Integration essentiell für die Mentalität der Menschen, den Bestand einer Kultur und die Weiterentwicklung einer Gesellschaft sind. Beide Protagonisten schildern genau den Prozess eines Lebens außerhalb der ursprünglichen Heimat, was aus unserer Sicht wirklich eine bemerkenswerte Leistung ist. Die Romane ermöglichen es außerdem, den Leser mit in die Geschehnisse einzubinden und prägende Identitätsfragen selbst zu reflektieren.

    Das Leben zwischen zwei Kulturen ist alles andere als einfach und hinterlässt über die Zeit gewisse Spuren, die aus Unsicherheiten, Fragen der Identität und der letztendlichen Frage der Zugehörigkeit resultieren. Schließlich liegt es bei jedem selbst zu entscheiden, ob man sich einer Kultur zugehörig fühlt und wie viele Länder als die eigene Heimat bezeichnet werden dürfen. Kein anderer hat das Recht, dies zu entscheiden. 

    Catarina Becker - 10.03.2020 @ 15:56

     

    Hallo Catarina und Yasmin Ben!

    Ich habe euren Artikel sehr interessant gefunden. Ich kann zu dem Thema „Zugehörigkeitsgefühl” sehr viel sagen, weil meine Eltern auch von verschiedenen Minderheiten innerhalb von Ungarn stammen, und ja, es lässt sich sagen, dass Ungarn ein richtiger Multinationalstaat ist. Die Familie meines Vaters hat eine slowakische Abstammung, während meine Mutter eine echte Schwäbin ist. Wir haben keine Traditionen von der slowakischen Minderheit übernommen, aber die ungarndeutsche Kultur steht uns nah. Ich bin sogar deswegen eine Schülerin von dem Deutschen Nationalitätengymnasium. Aber ich halte mich 100% für eine Ungarin. Ich bin hier geboren, ich bin hier aufgewachsen und ich möchte in meinem ganzen Leben hier leben. Niemand kann sagen, dass ich nicht dieser Nation angehöre. Ich mag meine Heimat!

    Réka Gaál - 21.05.2020 @ 22:47