"Dadurch, dass ich ein Einzelner war, vereinzelten sich auch die Dinge um mich herum. Gegenüberstellungen auf Augenhöhe: Die Kreuzung und ich. Der Kiosk und ich. Die Schrottplatz-Mauer und ich."
(Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war", Joachim Meyerhoff)
Was kann dem Fremden in einem fernen Land exotisch sein?
Maria Fellner - 03.01.2020 @ 20:23
Was kann für einen Fremden in einem fernen Land exotisch wirken?
by Alma Gréen, VKS Växjö/Sweden
Hast du jemals ein fremdes Land besucht? Wenn man zum ersten Mal an einem neuen Ort ankommt wird man von vielen neuen Eindrücken und einer anderen Umgebung begrüßt, als man es eigentlich gewohnt ist. Sicher hattest du bereits eine Vorstellung davon, wie es dort sein wird, doch war es wirklich so wie in der Reisebroschüre?
Ich habe das Buch Hästpojkarna (Johan Ehn, 2019) gelesen. Bisher wurde dieses Buch nur auf Schwedisch veröffentlicht, aber ich hoffe, dass es bald in viele andere Sprachen übersetzt wird. Es geht um zwei Jugendliche namens Alexander und Janek. Sie arbeiten als Akrobaten in einem Zirkus. Mit dem Zirkus reisen sie durch ganz Europa und zeigen der Welt was sie gelernt haben. Janek und Alexander sind in den zwanziger Jahren in der Tschechoslowakei zusammen aufgewachsen und bekommen im Laufe der Zeit Gefühle für einander.
Homosexualität wurde zu diesem Zeitpunkt nicht akzeptiert. Als der Zirkus in Berlin ankommt beschließen Alexander und Janek in eine Bar zu gehen und landen in der Schwulenbar Moulin Rouge. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlen sie sich wieder wie ein Teil der Gesellschaft und werden so akzeptiert wie sie sind. Es war extrem exotisch für sie sich einmal so frei zu fühlen, da sie nichts verstecken mussten. Später als sie auf dem Heimweg sind, wird einer ihrer Freunde von einem Mann der Nationalsozialistischen Partei zusammengeschlagen. Die Jungs hatten gerade zwei völlig unterschiedliche Erfahrungen als Fremde in einem fremden Land gemacht, die beide sehr exotisch für sie waren. Die Freiheit in der Bar und die nationalistischen Gefühle auf der Straße.
Könnte das heute passieren? Die Rechte für LGBTQ-Menschen sind nicht in jedem Land gleich. In vielen Ländern ist es sogar illegal. Ist es nicht seltsam, dass es für viele fremd und exotisch ist sich einmal frei zu fühlen? Als ich am Erasmus + -Projekt teilnahm, reagierten einige Studenten aus anderen Ländern auf die LGBTQ-Rechte in Schweden. Die Studenten waren der Meinung, dass Schweden die LGBTQ-Rechte sehr viel mehr akzeptiert als in ihren Ländern. Was für uns Schweden normal war, war für unsere Freunde völlig exotisch. So wie Janek und Alexander behandeln wurden, werden LGBTQ-Menschen in der heutigen Gesellschaft leider sehr oft behandelt. Da sich alle Länder in Bezug auf LGBTQ-Rechte unterschiedlich schnell entwickelt haben, ist die Akzeptanz dafür in allen Ländern unterschiedlich.
Wenn etwas exotisch für einen ist, bedeutet dies, dass es etwas Ungewohntes für dich ist. Es kann alles von Kultur bis Natur und vieles mehr sein. Fast alles was wir tun basiert auf Normen, welche für uns offensichtlich sind, aber vielleicht überhaupt nicht für jemanden, der gerade unser Land besucht. Normen sind in einigen Fällen perfekt, zum Beispiel wenn sie das Leben in einer Gesellschaft erleichtern. Zum Beispiel wissen wir in den meisten europäischen Ländern, dass wir im Supermarkt in der Schlange stehen sollen und dass wir mit der rechten Hand unser Gegenüber begrüßen. Wenn Normen die einzelne Person betreffen und wie diese Person sein sollte, kann dies jedoch problematisch werden. Während wir in einigen Fällen Normen brauchen, können sie auch Schwierigkeiten verursachen. Ein offensichtliches Beispiel hierfür ist, wenn Menschen diskriminiert werden nur weil ihre sexuelle Orientierung nicht den Normen entspricht.
Translated by Seraina Sophia Schwyter, VKS Växjö/Sweden
Alma Gréen - 18.03.2020 @ 15:49
Lieber Alma!
Es war sehr schön, Deinen Artikel zu lesen, und ich kann sagen, dass ich mit Dir überein stimme. Zuerst verstand ich nicht, warum Du das Hauptthema der exotischen Länder vernachlässigt hast, aber nachdem ich mich in die Geschichte von Alexander und Janek aus dem Buch vertieft habe, weiß ich bereits, was Du gemeint hast. Ich bin sehr froh, dass Du das Thema auf eine originelle Weise interpretiert und auf die aktuelle Situation in den meisten Ländern hingewiesen hast. Der Begriff des Exotismus hängt wirklich davon ab, wo wir leben und welche Maßstäbe wir anlegen. Etwas, was für einen Bewohner Europas völlig normal ist, kann für einen asiatischen Bürger exotisch sein usw. Ein Beispiel für die Begegnung zwischen zwei Kulturen ist das Buch von Joseph Conrad „Herz der Finsternis”. Der Europäer ist plötzlich im Dschungel und sieht sofort die Unterschiede zwischen den beiden Welten. Die auf der Expedition verbrachte Zeit erweist sich als eine wertvolle Informationsquelle über andere Kulturen und Normen, die an den entlegensten Orten herrschen.
Auslandsreisen sind also eine großartige Gelegenheit, neue Kulturen, Religionen, Ansichten oder die Mentalität anderer Menschen kennenzulernen. Das Ziel des Lernens ist es vor allem, Erfahrungen zu sammeln, sich an verschiedene Situationen zu gewöhnen und vor allem zu versuchen, andere Standards zu verstehen. Toleranz ist daher ein Schlüsselelement auf dem Weg zum Verständnis ungewöhnlicher oder seltsamer Bräuche, Outfits und Verhaltensweisen von Menschen. Der nächste Schritt ist die Akzeptanz, aber nicht jeder ist dazu fähig. Es genügt, die Existenz von jemandem oder etwas zu tolerieren, das nicht die Norm ist, damit wir von beiden Seiten zufriedengestellt werden. Das Buch „Hästpojkarna” behandelt ein solch exotisches Thema. Homosexualität und LGBT-Menschen sind ein Tabuthema, das nach Ansicht vieler Menschen nicht einmal das Licht der Welt erblicken sollte. Ich denke jedoch, je mehr Bücher und Werke zu diesem Thema geschrieben werden, desto leichter wird es für andere sein, sie zu akzeptieren oder sogar zu verstehen.
Irina Berndl - 25.04.2020 @ 11:26
Dein Artikel beinhaltet so viele wichtige Themen, die früher einfach viel zu sehr ignoriert und vor allem nicht akzeptiert wurden. Du hast das Thema mit dem Bezug auf das schwedische Buch sehr anschaulich und interessant geschrieben. Ich denke, dass man in fremden Ländern auch fremde Erfahrungen machen kann, so wie du es als exotisch beschrieben hast. Man sammelt Erinnerungen und kann daraus lernen, wie andere Nationen etwas handhaben. Beispielsweise in Sicht auf Homosexualität. Nicht überall ist es erlaubt "anders" zu sein. Bei uns und hauptsächlich in unserem Jahrzehnt ist dies kein Tabuthema mehr. In anderen Staaten ist es nicht der Fall und die Entwicklung und Aufklärung dazu, sind teils noch viel zu sehr belächelt und in den Hintergrund geschoben.
Weronika Ziomek - 31.03.2020 @ 12:20