Der Blick der Kinder auf die Welt

  • Ist die Welt in den Augen eines Kindes real oder nur seine Vorstellung von der Welt?

    „[…] Aber waren die Leute wirklich so anders? Alle Bewohner in dem Lager trugen die gleichen Sachen, jene gestreiften Anzüge und die dazu passenden gestreiften Stoffmützen; und alle, die durch sein Haus gingen […] trugen Uniformen von unterschiedlicher Qualität und Ausführung […]. Aber wo genau lag der Unterschied? , fragte er sich. Und wer entschied, welche Leute die gestreiften Anzüge und welche Leute die Uniformen trugen?“ (John Boyne, Der Junge im gestreiften Pyjama)

    Die Welt in den Augen eines Kindes –  Abbild der Realität oder Fantasie

    by Charlotte Wittlich und Anna Wischnewski, HPS Buxtehude/Germany

    In dem Buch „Der Junge im gestreiften Pyjama“, geschrieben von John Boyne, geschehen viele schreckliche Dinge vor Brunos Augen, jedoch kann er diese schrecklichen Ereignisse nicht begreifen. Er versteht zum Beispiel den Unterschied zwischen inhaftierten Juden und Nazis nicht. Er erkennt noch nicht einmal, dass die Juden Gefangene sind. Dies wird in folgendem Zitat deutlich:

    „[…] Aber waren die Leute wirklich so anders? Alle Bewohner in dem Lager trugen die gleichen Sachen, jene gestreiften Anzüge und die dazu passenden gestreiften Stoffmützen; und alle, die durch sein Haus gingen […] trugen Uniformen von unterschiedlicher Qualität und Ausführung […]. Aber wo genau lag der Unterschied?, fragte er sich. Und wer entschied, welche Leute die gestreiften Anzüge und welche Leute die Uniformen trugen?“

    Daraus resultierend fragen sich die meisten Leserinnen und Leser, ob Bruno nicht in der Lage ist, die Geschehnisse einzuordnen und zu deuten, oder ob seine kindliche Naivität ein lebenswichtiger Selbstschutz ist.

    Ist die Welt in den Augen eines Kindes also real oder nur eine Art Fantasiewelt?

    Sicherlich würde ein neunjähriger Junge die Geschehnisse verstehen, wenn jemand sie ihm erklärte. Aber da niemand Bruno über die Situation aufklärt, muss er eine eigene Erklärung für die Situation finden und alle Geschehnisse selbst deuten.

    In Brunos Gedanken existieren weder Rassismus noch Krieg. Deshalb weicht seine Deutung so stark von der Realität ab. Er assoziiert die Pyjamas mit Freizeit. Zudem malt er sich das Zusammenleben auf der anderen Seite des Zauns so aus, wie er gerne leben würde, nämlich mit vielen Spielkameraden.

    Die Uniformen verbindet er mit einem gewissen Stil und einer bestimmten Machtposition. So weiß er, dass sein Vater eine Uniform von sehr guter Qualität mit vielen Abzeichen trägt und er weiß auch, dass sein Vater viel Macht über die anderen Soldaten besitzt.

    Dadurch, dass Bruno ein unschuldiges Kind ist, stellt er trotz anderer Interpretationen der Situation genau die richtige Frage: Wer entscheidet, wer einen Pyjama und wer eine Uniform trägt? Da Bruno keiner Gehirnwäsche der Eltern unterzogen wurde, erkennt er, dass es keinen Grund gibt, die Menschen in diese zwei Gruppen zu spalten und eine der Gruppen anders zu behandeln.

    Denn alle Menschen sind gleich und verdienen dieselben Rechte.

    Bruno wird als fröhlicher Junge dargestellt, der sich seiner Position nicht bewusst ist. Durch seine kindliche Naivität malt er sich sein eigenes Weltbild aus, seine Sicht wird sich als Erwachsenerer sicherlich ändern.

    Ist der Verlust der kindlichen Sichtweise wirklich so gut, wenn man aufwächst und älter wird?

    Bis John Boyne den Roman "der Junge im gestreiften Pyjama" veröffentlichte, ist es noch keinem Autor so gut gelungen, die Zeit des Nationalsozialismus aus der Sicht eines Kindes wiederzugeben. In dem Buch geht es um einen kleinen Jungen, der nicht weiß, was genau gerade um ihn herum passiert, und er reimt sich dadurch seine eigene Version zusammen.

    Das oben Gesagte, worauf ihr schon gekommen seid, kann man gut mit unserem Alltagsleben vergleichen. Der Mensch existiert, um sich zu entwickeln. Wir lernen im Laufe unseres Lebens immer mehr dazu, und entwickeln uns dadurch weiter. Je jünger wir sind, desto weniger wissen wir als die, die älter sind als wir; es gibt allerdings auch Ausnahmen. Wir nehmen jeden einzelnen Tag, an dem wir leben, neues Wissen auf. Wir lernen durch Erfahrungen und Bildung. Wenn wir klein sind, haben wir noch fast keine Erfahrungen, und können die Ereignisse in unserem Umfeld nicht so gut einordnen, wie Erwachsene es können sollten.

    Meiner Meinung nach leben Kinder deswegen aber noch lange nicht in einer Fantasiewelt, sondern nehmen nur die Dinge, die sie sehen, anders als Erwachsene wahr. Das Leben ist sozusagen wie ein Berg, denn am Anfang unseres Lebens wissen wir nichts, wir sammeln im Laufe unseres Lebens immer mehr davon, aber am Ende sind wir durch Demenz wieder wie Kinder.

    Paula Jordan - 20.04.2019 @ 19:48

    Hey!

    Ich finde euren Beitrag echt gut, vor allem das Zitat ist passend gewählt. Die Schlussfrage regt zum Nachdenken an und ich bin der Meinung, dass es in dem Fall gut ist, wenn man seine kindliche Sichtweise verliert. Bei so einem schwierigen Thema sollte man aufgeklärt und informiert werden, wenn das in dieser Situation überhaupt aus einer sachlichen Perspektive möglich ist.

    Denn wahrscheinlich wurde er genau so großgezogen, wie es das damalige Deutschland vorschrieb, also mit Meinungen, die für ihn geformt und Gedanken, die für ihn kreiert wurden. Vor allem, weil er ja so nah an den Geschehnissen des Konzentrationslagers gelebt hat und sein Vater ein überzeugter und einflussreicher Nazi war, ist also eine neutrale Position gar nicht im Ansatz zuhause aufgetaucht.

    Bruno war sich der schlimmen Lage, in der sich sein Freund befand, gar nicht bewusst. Eher im Gegenteil, er hat ihn für die anderen Kinder bewundert, mit denen er immer spielen konnte. Gerade deswegen ist es wichtig, dass er nicht später auf sein Leben zurückgeschaut, sich an seinen alten Freund erinnert und dann realisiert hätte, wie es ihm zu dem Zeitpunkt wirklich ging. Er wäre nicht nur schockiert, sondern auch zutiefst betroffen gewesen. 

    Also ist es besser, dass er Bescheid weiß!

    Carolin Feindt - 30.04.2019 @ 16:25

    Ich denke, dass alle eure Aussagen interessant und zum Nachdenken anregend sind.

    „Der Junge im gestreiften Pyjama“ ist ein Buch, das den „unschuldigen“ Blick des Kindes auf die Welt perfekt zeigt. Bruno ist sich der Brutalität der umgebenden Realität nicht bewusst und versucht, sich selbst zu erklären, was um ihn herum geschieht.

    Kinder haben nicht viel Lebenserfahrung und schauen positiv auf die Welt. Alles scheint gut zu sein, deshalb interpretieren sie manchmal die umgebende Realität falsch. Während man erwachsen wird, konfrontiert man die meisten Ansichten mit der Realität.

    Die Welt der Erwachsenen ist ganz anders als die der Kinder. „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry zeigt einen Blick auf die Welt des Helden, der das Verhalten der Erwachsenen nicht versteht. Er lernt gerade erst die Welt kennen und sucht nach Antworten auf die Fragen, die ihn beschäftigen.

    Es scheint mir, dass wir von Anfang unseres Lebens an nach Antworten auf neue Fragen suchen, aber älter wir werden, desto rationeller und offensichtlicher beginnen die Antworten zu sein. Deshalb bin ich der Meinung, dass der beste Weg, die Welt kennenzulernen, darin besteht, dass man diese aus verschiedenen Perspektiven betrachtet: zuerst als Kind und erst dann als Erwachsener.

    Magdalena Frączyk - 28.05.2019 @ 11:57

    Ich denke, dass sich ein Weltbild mit der Zeit sicherlich ändert. Die Kinder haben keine Vorurteile, deshalb können sie allen vertrauen. Danach werden sie aber aus Erfahrungen lernen, dass sie niemandem auf den ersten Blick Vertrauen schenken dürfen. Meiner Meinung nach ist das der Weg, wie die kindliche Naivität verschwindet. Die kleinen Kinder erkennen die Unterschiede noch nicht richtig. Sie sehen die Welt positiv an, wie es Bruno in der Geschichte tut. Er sieht die Unterschiede nicht, weil er den Hintergrund dieser Menschen und die Normen der Gesellschaft nicht kennt. Ich denke, dass Naivität keine gute Eigenschaft ist. Ich denke, dass eine reale Denkweise besser ist.

    Levente Tóth - 02.06.2019 @ 22:39

    Hey Paula, danke für deine Antwort. Die Metapher mit dem Berg gefällt mir sehr, du hast eine Sichtweise aufgegriffen, die mir vorher gar nicht so sehr bewusst war.

    Anna Wischnewski - 04.06.2019 @ 16:03

    Hallo,

    Wir finden das Buch, das du präsentiert hast, ein außerordentlichenBeispiel für dieses Problem ist. Der kleine Junge konnte nicht alles verstehen, aber er konnte es sich schon vorstellen. Auf diese Weise meinte er, dass er alles versteht.

    Allerdings kann wir sagen, dass Kinder mehr mitkriegen als man denkt. Die meisten Erwachsenen glauben, dass Kinder etwas ”dumm” sind und sagen unfreundliche Sachen, wenn Kinder in dier Nähe sind. Sachen, die Kinder nicht hören sollen.

    Die Erwachsenen sollen Kinder mehr respektieren, weil sie viel verstehen.

    Paulina Bebenek - 04.10.2019 @ 13:55