FLÜCHTLINGSDRAMA IM MITTELMEER: Der Arzt von Lampedusa

  • Der Arzt von Lampedusa

    Pietro Bartolo hat viele Tote gesehen. »Vielleicht zu viele«, sagt der 63jährige Italiener über seine Erfahrungen, die er als Arzt auf der italienischen Insel Lampedusa gemacht hat. Er hofft, von Brüssel und Strasbourg aus wirklich etwas verändern zu können »Weil ich eine Welt will, die menschlicher ist, ein menschlicheres Europa.«

    30 Jahre lang arbeitete er dort als Mediziner und wurde an Europas Südgrenze Zeuge des Massensterbens im Mittelmeer. »Wenn man wie ich gezwungen ist, Dutzende (Tote) zu sehen. (…) Wenn man tote Kinder sieht, wenn man etwas Gewissen und etwas an Menschlichkeit hat ...« Bartolo hält inne. Wie er dieses Leid ertrage? Er habe viele Alpträume. Oft sagten ihm Menschen, er müsse doch gewöhnt daran sein, die vielen Opfer zu sehen. »Das stimmt nicht, mir geht es jedes Mal schlechter.«

    Die Dublin-Regeln müssten reformiert werden, verlangt er und fordert legale Fluchtwege wie humanitäre Korridore. »Die NGO müssen verschwinden, die Militärschiffe müssen verschwinden, aber auch Pietro Bartolo muss verschwinden.« Denn für sie alle sollte es in Zukunft keine Notwendigkeit mehr geben. »Ich kann nicht immer der Arzt bleiben und jeden Tag dieselben Dinge sehen: Es muss ein Ende haben.

    Frei aus: Junge Welt, Ausgabe vom 23.05.2019, Seite 3 / Schwerpunkt

    FLÜCHTLINGSDRAMA IM MITTELMEER. Der Kandidat: der Arzt von Lampedusa